Bundestrainer Stein

Eines Tages ist es mal wieder so weit: der aktuelle Bundestrainer hat die Schnauze gestrichen voll, schmeißt die Brocken hin und der DFB sucht händeringend nach einem qualifizierten Nachfolger. Nach langem und zähem Hickhack scheint eine Lösung gefunden zu sein, erste Gerüchte sickern durch, daß sich kein geringerer als Jupp Heynckes hat breitschlagen lassen, zukünftig den Sauhaufen unter seine Fittiche zu nehmen.

Einen Tag vor der einberaumten Pressekonferenz, die der Bekanntgabe des Auserwählten dienen soll, meldet sich plötzlich eine Organisation der Frauenrechtlerinnen mit Namen "Der blaue Strumpf" zu Wort. Es widerspreche der Gleichberechtigung im höchsten Maße, heißt es, das Amt des Bundestrainers automatisch an einen Kerl zu vergeben, ohne einer Frau auch nur die Chance zu geben. Nach langem Gezeter entschließt man sich, der Form halber auch eine Olle in den Kandidatenkreis aufzunehmen. Ihr Name ist Elvira Brummstengel, sie ist Hausfrau und hält Fußball für eine Hautkrankheit, die zwischen den Zehen zuschlägt.

Als nächstes meldet sich ein Ausländerverein zu Wort. Es sei in höchstem Maße rassistisch, heißt es, noch nicht einmal in Erwägung zu ziehen, das Amt des Bundestrainers einem Ausländer zu übergeben. Der DFB, weich wie eh und je, stimmt zu und so gesellt sich ein Türke namens Ali Özümüzü in den illustren Kreis der Amtsanwärter.

Nachdem sich nun in den nächsten Tagen abschließend noch diverse Vereine für die Gleichberechtigung von Jupp Heynckes und diversen Arten der Flora und Fauna stark gemacht haben, sieht die endgültige Liste der Kandidaten so aus: Der anerkannte Fußballehrer Jupp Heynckes, die Hausfrau Elvira Brummstengel, der türkische Scheinasylant Ali Özümüzü, Zeus der Zobel, ein Usambaraveilchen und ein Stein.

Auf der nun endlich stattfindenden Pressekonferenz will der DFB-Präses gerade den Umschlag aufknibbeln, in dem eine Karte liegt, auf der jemand mit dickem, schwarzen Edding "Jupp Heynckes" geschmiert hat, da gibt es schon wieder harsche Kritik. Ein Sprecher der Minderheitenfraktion unterstellt frecherweise, daß sich der DFB an der langen Latte von Kandidaten gar nicht störe und unabhängig von der großen Bewerberanzahl Jupp Heynckes nominieren wolle. Der DFB-Präsident dementiert mit Nachdruck, während er den Umschlag schamhaft hinter seinem Rücken versteckt.

Um endlich Ruhe in den Karton zu bekommen, stimmt man dem Vorschlag zu, den künftigen Bundestrainer kurzerhand unter den wohl gleichsam kompetenten Kandidaten auszulosen.

Es gewinnt der Stein.

Schon am nächsten Tag ist das erste Training der Nationalmannschaft, bevor es am Mittwoch zum Länderspiel gegen Italien geht. Als die ersten Spieler auf den Platz laufen, liegt der Stein schon seit Stunden an der Seitenauslinie. Das ist peinlich. Die Spieler bemühen sich, durch gute Trainingsleistung diesen Fauxpas vergessen zu machen. Die Männer rennen sich die Lunge aus dem Hals und hoffen nach jeder Runde, daß der Trainer das Training beendet. Aber der Stein schweigt. Nach vier Stunden pausenloser Herumrennerei, zwei Spieler sind mittlerweile an Erschöpfung gestorben und im Strafraum beigesetzt worden, faßt sich der Mannschaftskapitän ein Herz und fragt den Trainer, ob weitergerannt werden soll. Der Stein sagt nichts, also gehen die Spieler nach Hause und freuen sich schon jetzt auf das nächste Training. Am Abend erhängt sich einer der Abwehrspieler in seinem Keller.

Mittwoch. Am Morgen letzte Pressekonferenz vor dem Spiel. Die Journalisten warten zwei Stunden, der Stein erscheint nicht. Dem Pressesprecher fällt ein, daß er noch auf dem Trainingsplatz liegt und beordert den Platzwart, ihn zu holen. Der Bundestrainer erweist sich als hartnäckiger Schweiger und beantwortet kaum eine Frage.

Im Spiel rennen unsere Kerle wie die Verrückten. Jemand will gehört haben, daß der Trainer im Falle eines Mißerfolges ein Straftraining ansetzen will. Deutschland gewinnt 4:0, die internationale Presse ist voll des Lobes für die Mannschaft und vor allem für den überragenden, neuen Trainer, der sich als echter Glücksgriff entpuppt hat.

Zwei Wochen später wirbt Real Madrid den Stein für die Rekordablöse von 35,8 Millionen DM ab. Der Stein wird als Päckchen nach Spanien geschickt und geht leider auf dem Postweg verloren.